Diethard Günther Berlin, im Dezember 2000
Medizinische Physik
Krankenhaus Neukölln
Rudower Straße 48
12351 Berlin
Manchmal ist der Weg das Ziel,
manchmal
ist das Ziel im Weg.
Sehr geehrte Damen und Herren Politiker des Landes Berlin,
in aller Regel habe ich mir tagein tagaus übers Jahr anzuhören, was Ihr so zu sagen habt. Ich hingegen darf meine Stimme nur gelegentlich und auch dann nur einfach abgeben. Die vom Senat verfolgte und bereits beschlossene Privatisierung der Städtischen Krankenhäuser Berlins veranlaßt mich nun meine Stimme an Euch zu richten, partiell gegen Euch zu erheben und Euch mal meine Meinung zu sagen:
2.
Zur
Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen
3.
Zu
den ‚Schulden’ der Krankenhäuser
5.
Was
bleibt? – Schlussfolgerung und
Konsequenz!
In der Koalitionsvereinbarung 1.) aus dem Jahre 1999 steht u. a. zum Thema:
In der Eigentümerschaft des
Landes Berlin wird durch Gesetz ein Unternehmen errichtet, das die kommunalen
Krankenhäuser unter Wahrung der gesundheits- und kommunalpolitischen
Zielstellungen im Rahmen der Wirtschaftlichkeit zu einem wettbewerbsfähigen
Unternehmen zusammenführt .....
Die einzelnen Krankenhäuser
und Betriebe sind im Auftrag des Gesamtunternehmens, insbesondere auch
zuständig für die wirtschaftliche Führung und Steuerung des jeweiligen Betriebes
und die Anwendung von qualitätssichernden Maßnahmen. .....
Die Rechtsformänderung erfolgt bis zum 1.1.2001.
Es ist bereits alles gesagt, nur noch nicht von allen, dafür aber längst festgeschrieben,
da ruft der Senat unter dem Motto: Das Fröschlein freut sich, es hat ein Lehramt bekommen – in Spiritus das Projekt ViEW ins Leben. Für diese Alibi-Funktion wird er weiteres Geld (Institut BAB u. a.) ausgeben, ausgewählte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krankenhäuser vor seinen Karren spannen, den er längst auf Schienen gestellt hatte und dessen Zielstation bereits per Weichenstellung festgelegt worden war. Wunderbar! So lullt man ein, vermittelt den Anschein von Macht und Mitbestimmung, kann kostenneutral spezifisches Know How abschöpfen und einvernehmen, kann kanalisieren und dominieren und im Bedarfsfall sogar noch auf DIE zeigen, die das alles ja so wollten.
Immerhin durften die Beteiligten die o. g. Senatsvorgaben
aus der Koalitionsvereinbarung zunächst einmal bestätigen. Dabei sind auch die
Herren des Instituts BAB 2.) , die das Projekt-ViEW anleiten und
dabei fröhlich lächelnd das Lied ihres Brötchengebers singen. Sie geben mit
InterViEW ein absolut tendenziöses Blatt heraus, das als Sprachrohr des Senats
nur linientreue ‚Stimmen und Positionen’ 3.) zu Wort kommen läßt. Die
ViEW-Projekt-Ergebnisse werden hoch gelobt und haben dennoch keine Substanz.
Trotzdem werden sie schon mal als „Bare Münze“ verkauft. Alles wird vorsichtig
vermutet und auf Kann, Könnte, Soll, Werden und Wird nach View II, ihrem
Anschlussgeschäft, vertagt: 4.)
Es gibt aus ViEW I eine
Menge Hinweise darauf, dass eine Größenordnung von DM 200 Mio. als
Wirtschaftlichkeitspotenzial zumindest realitätsnah ist. Entscheidend ist, wo
und wie dieses Potenzial gehoben werden soll. Dazu wird in ViEW II gründlich
gearbeitet.
Schon allein dieses Ergebnis ist eine wirklich gründliche Arbeit und als solche eine solide Basis für das Vorhaben des Senats. Auf den Leser wirkt es absolut vertrauensbildend! Die genannten Herren haben sich damit auf das Niveau der Schönrechnenden Schönredner – oder ist es umgekehrt? - aus der Politik begeben.
Und noch etwas möchte ich den Herren vom Institut BAB mit auf den Weg geben:
Wir leben in einer Welt mit einer auf Ausgleich bedachten Natur. Wenn Sie also aus den Krankenhäusern, Schatzkammern gleich, Wirtschaftspotenziale heben wollen, so muß dazu notwendiger-weise auch irgend etwas abgesenkt werden. Die Summe über alles ist konstant! Warum verlieren Sie - vorsichtig vermutend - kein Wort darüber, wo man senken Kann, Könnte, Soll, Werden und Wird? Die mit viel Vollmachten und Gestaltungsspielraum zu versehende Geschäftsleitung der GmbH wird dies gewiß ohne Zurückhaltung praktizieren. Der Erfolgszwang wird ihr keine andere Wahl lassen. Sie tun jedenfalls dem System Krankenhaus im Prozeß Gesundheitswesen, wie auch Ihrer Verantwortung vor der Öffentlichkeit keinen Gefallen, wenn Sie nur Ihren Auftraggebern aus der Politik zum Munde reden.
Allerdings – und das will ich durchaus zugestehen - begibt sich der Geschäftsführer des Instituts BAB Herr Brückner-Bozetti an einer Stelle in Opposition zu den veröffentlichten Meinungen der Senatorin Schöttler über den Zustand der Städtischen Krankenhäuser 4.)
Das Unternehmen*)
startet mit einer wirtschaftlich soliden Basis. Wer etwas anders behauptet, hat
entweder keine Ahnung von der wirtschaftlichen und bilanziellen Lage der
Häuser, oder er verbindet mit etwaigen „Horrormeldungen“ eindeutige Absichten,
nämlich das Unternehmen tot zu reden.
*) gemeint ist hier das Einheitsunternehmen bei seiner Gründung, am
Tag NACH den Städtischen Krankenhäusern.
Also, was denn nun? Wer hat hier keine Ahnung wovon und wer beabsichtigt was tot zu reden?
2.) Zur Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen
Vertraute man den Äußerungen der Senatorin Schöttler, die sie in den vergangenen Monaten in der Sache gemacht hat, so könnte das von ihr ins Visier genommene Einheitsunternehmen nur mit dem schmückenden Beinamen „Gesundheitskombinat ‚Leuchtende Zukunft’“ versehen werden. Vermutlich hat die gelernte Ingenieur-Ökonomin in der Enge ihres Strebens auf das Ziel übersehen, daß das Verfallsdatum für ‚Einheitsunternehmen’ in deutschen Landen bereits im Jahre 1989 erreicht worden war.
Wie könnte man auch Äußerungen vertrauen, die dem Verlesen von Wunschzetteln gleichen, Sequenzen von substanzarmen Allgemeinplätzen sind und gebetsmühlenartig repetiert werden. Auf den aufmerksamen und kritischen Zuhörer können sie nur den Eindruck von mutmachendem aber ängstlichem Kindersingen etwa beim Gang durch den dunklen Keller machen. Die öffentlich vorgetragene Kopf- und Konzeptionslosigkeit läßt Sorgfalts- und Fürsorgepflichten, wie auch Führung im Detail, vermissen. Die Prüfergebnisse im Jahresbericht 2000 8.) des Rechnungshofes passen ins Bild und lassen für die Zukunft nichts Gutes hoffen. Ich zitiere hierzu allein einige Überschriften aus dem Inhaltsverzeichnis und empfehle die komplette Lektüre:
4.
Arbeit, Soziales und Frauen (einschließlich Berufliche Bildung und Gesundheit)
a)
Weitere
finanzielle Nachteile für Berlin aus einer Rahmenvereinbarung mit einem
Bankenkonsortium zur Finanzierung von Investitionen. . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . T 287 S 64
b) Finanzielle Nachteile
Berlins bei der Übertragung einer geriatrischen Klinik . . . .
T 294 S 65
c) Fortgesetzt
unwirtschaftliches Verhalten der Senatsverwaltung beim Berliner
Betrieb für Zentrale Gesundheitliche Aufgaben. .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . T 303
S 67
d) Weitere Versäumnisse der Senatsverwaltung
bei der Privatisierung der
So wird aus der gepriesenen und schöngefärbten „Eierlegenden Wollmilchsau Einheitsunternehmen" schon bald ein Einheizunternehmen für alle Beteiligten werden. Patienten oder besser Kunden eingeschlossen, ausgenommen natürlich Gesellschafter und Geschäftsführung des Unternehmens.
Sehr geehrte Frau Senatorin Schöttler, was soll insbesondere das Gerede von „Zukunftsfähige Krankenhäuser schaffen“? Krankenhäuser waren zu allen Zeiten zukunftsfähig, weil es Orte sind, an denen Menschen in Not von Menschen geholfen wird. Es hat auch Zeiten gegeben, in denen die Politik im Verbund mit den Kommunen Soziale-Verantwortung trugen, ihren Ehrgeiz drein gesetzt haben, solche Orte erst zu schaffen. Nachzulesen, häufig dauerhaft in Ton gebrannt über den Eingangstorbögen: Städtisches Krankenhaus ....... . Man war damals dem Gemeinwohl nicht nur verpflichtet, sondern hat auch nachhaltig dafür gehandelt
Sie wollen 5.) Berlin zu einer modernen und wettbewerbsfähigen Gesundheitsregion weiter entwickeln. Motto:
I have a dream, Ihr Völker der Welt kuriert Euch in dieser Stadt! Bravo, die Kassenlage des Senats kann endlich aufgebessert werden! Weltweiten Gesundheitstourismus nach Berlin! Unsere Alten, die chronisch und multipel Kranken und die sozial Schwachen verursachen eh nur Kosten! - Krankenhäuser wurden zu allen Zeiten modernisiert. Die Basis dafür war allerdings in aller Regel der fortgeschrittene Entwicklungsstand der pflegerisch-medizinischen, technisch-naturwissenschaftlichen und technologischen Wissenschaften. Sie bemänteln den Kern Ihres Tuns vor der Öffentlichkeit mit dem unverdächtigen und eher positiv besetzten Begriff „Modernisierung“, um sich quasi durch die Hintertür und nahezu unbemerkt aus der Sozialen Verantwortung zu stehlen. Auf dem Bogen, den ihr Wirken aufspannt steht das Paradoxon:
Städtische Krankenhäuser wegen Modernisierung geschlossen - Für immer!
Zusammen mit Ihrem Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder, dem 6.) entschiedenen Verfechter des Projektes ViEW haben Sie gegen die Städtischen Krankenhäuser ein Verfahren eingeleitet, das ich in Anlehnung, an das, was sich Aktiengesellschaften gegenseitig antun dürfen, eine Feindliche Übergabe nenne.
Als Dr. Klaus Theo Schröder in einer Personalversammlung unseres Hauses einen 4gliedrigen Begründungsbandwurm für den zwanghaft unausweichlichen Übergang zur Einheits-GmbH abgelassen hatte, stand zu vermuten, daß beim Senat die Gründe dafür genau so klar und deutlich bekannt sind, wie er sie gerade formuliert hatte. Dennoch war der Hauptgrund einsam aus der Wortmasse erhoben und weithin zu erkennen: Der Schuldenberg, den die Krankenhäuser angeblich zu vertreten hätten. In der Diskussion hatte ich seinerzeit auf die logischen Konsequenzen hingewiesen: Wenn allein ein Schuldenberg zwanghaft in eine GmbH führe, so müsse man mit den gleichen Argumenten den ganzen Senat privatisieren.
7.) Keine Auswirkungen auf die Unternehmensgründung wird nach Aussage von Senatorin Schöttler die Tatsache haben, dass Gesundheitsstaatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder das Haus verlassen wird.
Ist dies nun eine späte Antwort auf meinen o. g. Hinweis, den er, auf seine Person bezogen, umgesetzt hat? Ist dies etwas, was mit einem sinkenden Schiff zu tun hat? Oder, ficht er entschieden nach erfolgreicher Übergabe einfach nur auf der "anderen Seite" für die Übernahme weiter? Für Antworten müssen wir wohl etwas Geduld haben!
3.) Zu den ‚Schulden der Krankenhäuser
Der Lagebericht 1999 10.) unserer Krankenhausleitung weist aus, daß bis zum Jahre 1997 Betriebsmittelrücklagen gemäß der Abgabenordnung gebildet werden konnten. Im Jahre 1999 wurde dann ein erheblicher Bilanzverlust ausgewiesen, die Rücklagen waren endgültig aufgebraucht.. Dieser Verlust wird den Kürzungen des Budgets durch die Krankenkassen, der Tariferhöhung (3,1% BAT), die politisch vorgegeben nicht in das Budget eingeflossen ist und der ausgebliebenen!! Finanzierung im Sachkostenbereich aus den Beträgen der gesetzlich vorgeschriebenen Instandhaltungspauschale zugeschrieben. Insbesondere wird darauf verwiesen, daß die erst im September 1999 abgeschlossene Budgetvereinbarung weitere allgemeine Kürzungen und weiteren Bettenabbau zur Folge hatte, die die Einnahmen des Hauses erheblich verringerten. Man hat dem Haus also zugemutet 9 von 12 Monaten zu arbeiten, ohne zu wissen, wie die in dieser Zeit erbrachten Leistungen jemals vergütet werden würden. Das ist russisches Roulette! und verhindert a priori 'wirtschaftliches Arbeiten'.
Offensichtlich ist der Bilanzverlust vom Haus nicht ursächlich zu vertreten. Gegenmaßnahmen der Krankenhausleitung zur Minimierung des Verlustes im Personal- und Sachkostenbereich konnten zusammen mit den Beschäftigten des Hauses erfolgreich umgesetzt werden. Dennoch war die negativ verlaufende Ergebnissituation in den Jahren bis 1999 nicht aufzuhalten.
Wenn nun aus der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen u.a. mitgeteilt wird 9.) :
Die kommunalen Häuser haben in den Jahren 1997 bis 1999 rd. 227 Mio. DM Verlust erwirtschaftet ,
so ist das für den Part unseres Haus insoweit unzutreffend,
da die Verluste nicht, wie behauptet, 'erwirtschaftet', sondern von der Politik
und den Kassen aufgezwungen worden sind. Hier wird die Öffentlichkeit gleich
dem Ruf: Haltet den Dieb über die
wahren Ursachen getäuscht. Die Anstrengungen und Leistungen der
Beschäftigten des Hauses zur Verlustabwehr werden in arroganter Weise
öffentlich mißachtet.
4.)
Zu den Schulden des Senats
Der Jahresbericht 2000 des Rechnungshofes von Berlin berichtet über die Entwicklung der Verschuldung des Landes Berlin (s. a. Bild 1 im Anhang). Mit stetig abnehmender Netto-Neuverschuldung werden die Schulden von 36 Mrd. DM im Jahre 1994 auf mehr als 84 Mrd. DM im Jahre 2009 angewachsen sein. Der Anteil von Kreditmarktmitteln steigt dabei bis 2003 von ca. 90% 1994 auf über 96% an. Bereits im Jahre 1995 überstieg die Schuldensumme das Volumen der Haushaltsausgaben. Im Jahr 2001 sind die Schulden schon fast doppelt so hoch wie die geplanten Haushaltsausgaben. Das Mißverhältnis nimmt über die Jahre zu und wird bei weiterer stetiger Abnahme der Haushaltssumme überproportional weiter ansteigen. Im Gegensatz zu den 'Schulden' der Krankenhäuser hat der Senat selbst dieses Schuldenhochgebirge 'erwirtschaftet' und zu verantworten.
Im Bild 2 im Anhang ist
die Gesamtbelastung des Haushalts durch Zinsen und Schuldenhilfsdienste
dargestellt. Es ist zu ersehen, daß im Jahre 2001 täglich 10,9 Mio. DM Zinsen gezahlt werden müssen, was der
Finanzsenator Kurth kürzlich auch öffentlich bekanntgab. Das Bild zeigt aber auch,
8.) dass mit steigender
Tendenz ein erheblicher Teil der bereinigten Gesamteinnahmen für den
Schuldendienst – ohne Tilgung
bestehender Landesschulden – ausgegeben werden muss und damit nicht für die
Finanzierung der staatlichen Aufgaben zur Verfügung steht. Zieht man diesen Betrag mit ins Kalkül, so hat
der Finanzsenator nur die halbe Wahrheit verkündet. In Summe und Wirklichkeit werden 18 Mio. DM täglich vom Senat auf diesem Wege und mit dem
beschriebenen Effekt ausgegeben! Nur zur Erinnerung: Das Schillertheater wurde
seinerzeit geschlossen, weil, wenn ich es recht erinnere, der Jahresetat von 6
Mio. DM nicht zur Verfügung gestellt werden konnte?!
In T 40 in 8.)
wird auch berichtet: Aussagekräftige
Indikatoren für die Leistungsfähigkeit eines Landes sind u. a. die Zins-/Steuerquoten. Sie verdeutlichen, in
welchem Vomhundertsatz die Steuereinnahmen für Zinsausgaben gebunden sind, d.
h. nicht für andere Ausgaben zur Verfügung stehen. ....... Der Rechnungshof hat in der folgenden
Tabelle die Schuldendiensthilfen jeweils eingerechnet, da sie zinsgleiche
Wirkung haben und in Berlin von besonderem Gewicht sind (vgl. T 39). Im Jahr
1999 betrug gemäß dieser Tabelle die Zins/Steuerquote (nur Steuereinnahmen)
39,0 %, in 2000 37,5 % und sie wird
bis 2003 voraussichtlich nicht unter 37 % sinken! Man muß sich das mal vor
Augen halten: Mehr als ein Drittel der Einnahmen, die der Fiskus von den
Steuerzahlern erhebt, geht als Zinszahlung an die Banken einfach verloren! Die
Leistungsfähigkeit des Landes Berlin wird durch die absolut verfehlte Politik
des Senats ganz erheblich geschwächt. Wir haben es hier nicht mehr nur mit Mißachtung der Leistungen der steuerzahlenden
Berlinerinnen und Berliner durch den Senat zu tun, sondern angesichts
dieser Quoten bereits mit Verachtung!
Im Jahre 1998 8.) betrug die Netto-Neuverschuldung 165% der
eigenfinanzierten Investitionsausgaben! Der Senat hatte sich einen um zwei
Drittel vergrößerten Betrag durch unkritische
Addition gegönnt und damit einen
weiteren, somit andauernden
Verfassungsverstoß ! begangen.
Da sind sie wieder, die Schönrechner, egal ob nun blühende Landschaften aus der
Portokasse, Eurofighter, Transrapid, Expo 2k, Dt. Bahn AG, Großflughafen
Schönefeld, NET- GE Kliniken für Berlin GmbH, Netto-Neuverschuldung u. a. m. Der sprudelnde Quell ‚Steuertopf’ wird’s
schon richten!
Ich bitte um Nachsicht,
wenn ich hier einige Aussagen des Rechnungshofberichts aus dem Kontext
herausgelöst zitiere und empfehle wiederholt die komplette Lektüre. Mit Bezug
auf die Planung der
Netto-Neuverschuldung wird beim Senat 8.) nicht nur ein Mangel an Realismus, sondern auch
ein Verschieben der Probleme in die Zukunft gesehen. Mit Bezug auf die Höhe
der Neuverschuldung wird angeführt, daß die in den Jahren seit 1997
erzielten Erlöse von ca. 10 Mrd. DM aus Veräußerungen von Beteiligungen
(Privatisierungseinnahmen) finanzwirtschaftlich 'Desinvestitionen' sind. Es wäre daher unter dem Gesichtspunkt der
Generationengerechtigkeit und entsprechend dem daraus resultierenden Grundgedanken
der finanziellen Nachhaltigkeit naheliegend, sie bei der Ermittlung der
Kreditobergrenze abzusetzen. .....
Zudem würde sicher gestellt, dass Privatisierungen vorwiegend aus
ordnungspolitischen und hauswirtschaftlichen Gründen und nicht aus
kurzfristigen Finanzierungsinteressen durchgeführt werden. Zu allem
Übel wird auch noch ein Verlust
von Transparenz durch unvollständige Darstellung besonderer Finanzierungsvorgänge
im Haushaltsplan konstatiert. Es
wird die Erwartung geäußert, daß der 'zunehmende Einsatz besonderer
Finanzierungen' für
die Zukunft ausnahmslos im Haushaltsplan, ggf. in der Finanzplanung und der
Vermögensrechnung, vollständig und nachvollziehbar unter Beachtung des
Bruttoprinzips dargestellt wird.
Ich empfinde dieses
finanzwirtschaftliche Verhalten des
Senats als ordnungswidrig und absolut grenzwertig, aber dennoch von Vorsatz
geprägt und wünschte mir, die Appelle des Rechnungshofes an die Verantwortung
und Vernunft in der Politik fänden ausreichend und schnell Gehör.
Die Finanzierungsnöte
des Senats bringen es mit sich, daß seit einigen Jahren, nicht ohne Panik, nach
Art des Zauberlehrlings regiert wird, wenn man es denn noch so nennen kann. Die
fortgesetzten Veräußerungen von Vermögen und der Stellenabbau im Öffentlichen
Dienst des Landes, der Betten- und Stellenabbau in den Krankenhäusern nichts,
aber auch gar nichts hat bis heute dazu geführt, die Krise bzw. den Niedergang
zu bremsen oder gar zu stoppen. Ganz im Gegenteil, der erfolglose Weg wird
weiter beschritten. Vom Krankenhaus bis zur Verkehrsampel, nichts ist vor der
Privatisierung mehr sicher. Der
Ausverkauf wird p. a p. fortgesetzt.
Vermögen, von Generationen erarbeitet und angesammelt, wird verschleudert.
Zurück bleibt eine schwere Hypothek für unsere Nachkommen, allein ein großer Schuldenberg - Eine Form von
Nachhaltigkeit des politischen Wirkens, die großen Egoismus und einen
Mangel an Verantwortungsbewußtsein erkennen lassen!
Auch Wertmaßstäbe und
-vorstellungen erscheinen neu definiert. Wie ist es sonst zu erklären, das z.
B. der SPD-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus Wowereit in der
Haushaltsdebatte seine große Freude und Genugtuung darüber verkündet, daß im
Programm 'Computer in den Schulen'
in den nächsten 4 Jahren 80 Mio. DM
bereitgestellt werden. Sehr geehrter Herr Wowereit, dieses Volumen stellt der
Senat in gut 4 Tagen in Form von
Zinszahlungen den Banken bereit! - Wie schön wär's doch, wenn Schulen
Banken wären! - Sind sie es denn nicht eigentlich? Die 200 Mio. DM, die die
GmbH der Krankenhäuser einsparen soll, sind geschwind in gut 11 Tagen Zinszahlungen
bei den Banken! Warum lassen Sie diese Leistungen des Senats so achtlos
beiseite? Verdienen sie in Ihren Augen keine Würdigung?
Alle bisherigen Ansätze
und Versuche der Politik, die Finanzierungssituation des Gesundheitswesens und
speziell der Krankenhäuser zu verbessern sind fehlgeschlagen, weil sie nur
Symptome behandelten und nicht die wirklichen Ursachen angingen. Fragen etwa,
ob das System der Krankenkassen zu reformieren, zu adaptieren wäre, auch
Angesichts der Öffnung des europäischen Binnenmarktes oder ob die Kopplung der
Sozialversicherungsbeiträge an die Höhe des Arbeitseinkommens ‚zukunftsfähig’
ist, wurden nicht beantwortet, um nur Beispiele zu nennen. Es hat auch keine
ernstzunehmenden Versuche gegeben, die Kostensituation in den Krankenhäusern
wie es so schön heißt ‚transparent’ zu machen. Die IT-Voraussetzungen dazu sind
mindestens seit Mitte der 90iger Jahre ‚state of the art’, was fehlte war der
politische Wille zur Einführung und ein Konzept zur Umsetzung. Offensichtlich
alles verheerende Versäumnisse!
Wo war insbesondere die sorgende Hand des Senats für seine
Städtischen Krankenhäuser, wenn Krankenkassen mit 2stelligen Mio. DM
Beträgen Monate lang in Zahlungsverzug waren oder sind? Wo, wenn
Budgetabschlüsse im laufenden Jahr spät oder gar nicht erfolgten? Wo, wenn das
Diktat der Kassen weitere Budgetkürzungen und Bettenabbau erzwangen? - Warum
hat er, der so arg durch seine Krankenhäuser gebeutelte Senat mit seinem Wissen
um die Probleme nicht massiv an tragenden Lösungen und Konzepten zum Erhalt
der Städtischen Krankenhäuser gearbeitet, ggf. auch massiv auf Bundesebene?
Statt dessen bringt er z. B. auf Vorlage der Senatorin für Arbeit, Soziales und
Frauen Gabriele Schöttler nur 11.)
eine Bundesratsinitiative zur Änderung des
Artikels 14 des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der
gesetzlichen Krankenversicherung (GSG) mit dem Ziel ein, auch die letzte
Mark aus Bundeshilfen dem unersättlichen Schlund der Kreditfalle zu opfern.
Vermutlich hat sich der
Senat spätestens in 1997 im ersten 'Schicksalsjahr der Krankenhäuser' insgeheim
von ihnen abgenabelt und in der Folge auf dem Weg des geringsten Widerstandes,
also nach Dünnbrettbohrermanier, sein Heil in der Flucht gesucht. Flucht aus
der eigenen Verantwortung, die die Distanz zu seinen Häusern größer und größer
werden ließ und schließlich in der Privatisierung endete. So ist letztlich die Fürsorge des Senats von Berlin für
seine Städtischen Krankenhäuser auf den Fürsorgegehalt einer Notschlachtung
herabgesunken.
Der politische Wille war
gefaßt. Kritiker aus den eigenen Reihen der Koalitionsparteien wurden schnell
zur Räson gebracht. Es ging nicht um die Sache, es ging darum, die Koalition zu retten, Pfründe zu sichern.
Der Rat der Bürgermeister wurde gehört, aber nicht erhört. Die Gewerkschaften
ÖTV und DAG haben sich kampflos dem politischen Willen gebeugt und damit Verantwortung
dafür auf sich geladen, daß etwa 17k Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes
auf eiskaltem Wege ohne Aufsehen zu
erregen entsorgt werden können. Die
Rolle der Gewerkschaften in diesem Geschäft spricht für sich. Ich mag es
nicht kommentieren, daß die ÖTV-Chefin Susanne Stumpenhusen und die
DAG-Vertreterin Heike Spieß mittlerweile für den Aufsichtsrat und der ÖTV-Vize
Ernst-Otto Kock für den Posten des Arbeitsdirektors nominiert worden sind. -
Aus den USA kommen schlechte Nachrichten über
die privatwirtschaftlich betriebenen
Krankenhäuser. Die Ertragslage ist schlecht. Diese prekäre Finanzlage
schlägt sich zwangsläufig in der Behandlungsqualität nieder. Studien haben
ergeben, daß die Sterberaten in den so genannten For-Profit-Krankenhäusern um
25% höher sind als in den Uni-Kliniken und um 7 bis 8 Prozent höher als in den
gemeinnützigen Kliniken. - Sollte die Entwicklung bei uns etwa den gleichen
Weg beschreiten, so würde ich mir
wünschen, daß gegen die verantwortlichen
Hardliner und Promotoren der Privatisierung haftungsrechtliche Schritte
eingeleitet werden könnten.
5.) Was
bleibt? – Schlussfolgerung und Konsequenz
Die Berliner
Krankenkassen haben bereits angekündigt, daß im kommenden Jahr das Budget von
mehr als 2 Mrd. DM gesenkt werden müsse. Im Projekt-ViEW hofft man - sicher
noch immer - auf einen rosaroten Abschluß einer 3-Jahres-Budgetvereinbahrung!
Sollten die Kassen sich darauf wirklich einlassen, so wäre retrospektiv eine
unheilige Allianz zwischen der Politik und den Kassen in einer Verschwörung
gegen die Städtischen Krankenhäuser zu vermuten.
Im Zusammenhang mit dem BSE-Skandal kam aus Euro-Brüssel die Nachricht mit der erlösenden Einsicht: Gesundheit ist wichtiger als Geld! - Eine Botschaft, die bei den politisch Verantwortlichen im Land Berlin noch nicht angekommen ist. Hier favorisiert man noch immer das Geld und stellt so gesehen die Gesundheitspolitik auf den Kopf. Entgegen allen Beteuerungen der Senatorin Schöttler ist mit dem Übergang der Krankenhäuser die Verpflichtung auf das Gemeinwohl aufgehoben. Die NET- GE Kliniken für Berlin GmbH kann einzig und allein nur dem Wohl des Unternehmens verpflichtet sein.
Ihr Politikerinnen und Politiker im Senat von Berlin:
Ihr habt Euch wiederholt am Gemeinwohl und Gemeineigentum vergangen, habt insbesondere die Krankenhäuser als Schwerpunkte des Gesundheitswesens und in der Konsequenz die Gesundheit von Berliner Bürgerinnen und Bürger zum Spielball das Marktes gemacht. In meinen Augen habt Ihr moralisch das Recht zum Regieren verwirkt, was Euch per Wählervotum gegeben worden ist.
Ich wende mich - nicht ohne Abscheu - von Euch ab und entziehe Euch als Wähler öffentlich mein Vertrauen.
Diethard Günther
Quellen:
1.) InterViEW Nr.1 Seite 4 oben (Die Zeitung zum Projekt Vision, Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Krankenhäuser des Landes Berlin) s.a. http://www.projekt-view.de/
2.) Ebenda Nr.4 Seite 3-4
3.) Ebenda Nr.3 Seite 2
4.) Ebenda Nr.3 Seite 3
5.) Ebenda Nr.3 Seite 1 rechts unten
6.) Ebenda Nr.2 Seite 1 Mitte
7.) Ebenda Nr.4 Seite 4 unten
8.) Jahresbericht 2000 des Rechnungshofes von Berlin (www.berlin.de/home/Land/Rechnungshof) Jahresbericht 2000(pdf-Dokument)
9.) Mitteilung vom 17.05.2000 Landespressedienst von Berlin (z.B.)
10.) Lagebericht 1999 vom 31.Juli 2000 (liegt beim Autor vor)
11.) Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen, Berlin
http://www.berlin.de/Land/SenArbSozFrau/presse/pmgestruk.htm
Anhang:
Bild 1 (Quellen: Jahresbericht 2000 des Rechnungshofes von Berlin; Berliner Zeitung vom 08.12.2000) (zurück)
Bild 2 (Quelle: Jahresbericht 2000 des Rechnungshofes von Berlin; T 39 Seite 14) (zurück)